Javier Fandino

Zusammen mit vier Geschwistern wuchs ich in Cartagena in Kolumbien auf. Bereits mein Vater war Neurochirurge, er betrieb mit zwei seiner Brüder ein kleines, neurochirurgisches Zentrum an der Karibikküste Südamerikas.

Bei einem Besuch in Rom lernte mein Vater meine Mutter, eine Schweizerin kennen. Meine Eltern heirateten in Einsiedeln, danach folgte meine Mutter ihrem Mann nach Kolumbien, blieb aber immer eine selbstbewusste Schweizerin, die es sich nicht nehmen liess, pünktlich ihre AHV einzuzahlen.

Da bereits mein Grossvater der «falschen» Partei angehörte, waren wir nicht auf Rosen gebettet. Obwohl, aus genanntem Grund, in bescheidenen Verhätnissen aufgewachsen, legten meine Eltern grossen Wert darauf, dass alle fünf Kinder eine solide Ausbildung und gute Erziehung erhielten.

Nach dem Gymnasium ergriff ich in Bogotá das Medizin Studium. Ende der achtziger Jahre erreichte der Kolumbianische Drogenkrieg seinen Höhepunkt. Täglich explodierten Bomben in den Strassen der Städte, zum Teil völlig unbeteiligte Personen wurden entführt oder umgebracht. Daneben begannen die wirtschaftlichen Sanktionen der USA und Europas immer schmerzhafter auf den ganz normalen Alltag der Menschen einzuwirken.

In dieser Phase erlitt Kolumbien einen grossen Aderlass an jungen, gut ausgebildeten Bürgerinnen und Bürgern. Auch ich flüchtete zusammen mit vielen Mitstudenten in die USA, wo es mir gelang, mein Medizin Studium fortzusetzen. Abschliessen durfte ich mein Studium in Stockholm, wo sich zu dieser Zeit die neurochirurgische Spitzenfakultät befand.

In der Zwischenzeit hatte sich aber das neurochirurgische Mekka ans USZ in Zürich verschoben – da wollte ich hin.

Glücklicherweise kam mir der Name, Merz meiner Mutter, bei meinem Anstellungsgespräch in Zürich zugute, ich erhielt die Stelle, musste allerdings vorerst nochmals ein Jahr lang auf der allgemeinen Chirurgie arbeiten.

Danach führte mich mein beruflicher Werdegang über diverse Stationen; das Inselspital in Bern, neurochirurgische Ausbildung in Zürich, Nordamerika, Zürich und wieder zurück ans Inselspital in Bern. Zu meiner grossen Überraschung musste ich in Bern nochmals habilitieren, erhielt dann aber die Gelegenheit, ein neurochirurgisches Forschungslabor aufzubauen. Während meiner Zeit in Zürich lernte ich Maja, meine heutige Frau kennen.

2006 erhielt ich vom Kantons-Spital Aarau ein attraktives Angebot, bei welchem ich für mich herausfordernde Gestaltungsmöglichkeiten sah. Ich ergriff diese Chance und baute über die Jahre, zusammen mit meinem Team, in Aarau ein bedeutendes, neurochirurgisches Zentrum auf. Seit bald vier Jahren bin ich nun Chefarzt der neurochirurgischen Abteilung. Heute sind unserer Abteilung auch die Spitäler Baden und Zofingen angeschlossen, wir betreiben drei Operationssäle, führen mit 18 Ärzten und 360 Pflegenden ca. 2500 Eingriffe pro Jahr durch. 

Rückblickend stelle ich fest, ich hatte viel Glück in meinem Leben, habe aber auch immer viel gearbeitet. Auch heute noch stehe ich jedem Tag um 5:30 Uhr auf und arbeite, oft zum Leidwesen meiner Familie, während langen Tagen hart und viel. Mir ist bewusst, als Immigrant musst du immer etwas mehr leisten als der Rest. Andererseits genoss ich auch hin und wieder die «Narrenfreiheit» des unkomplizierten Südamerikaners.

Mit meiner Frau und unseren drei Kindern fühle ich mich ausgesprochen wohl in Uitikon.

In etwas mehr als 30 Minuten bin ich an meinem Arbeitsort in Aarau.

Ich schätze den offenen, transparenten Kontakt unter der Bevölkerung hier in Uitikon, jeder kann sich selbst sein, es zählt, was du heute bist und leistest, man braucht niemandem etwas vorzumachen.

Daneben bietet Uitikon mit seinen hervorragenden Einkaufsmöglichkeiten viele soziale Treffpunkte. Über die Jahre haben wir hier im Dorf einige sehr gute Freunde und Bekannte kennen und schätzen gelernt.

Wenn ich an einem Seminar im Ausland erwähne, dass meine Kinder hier selbstständig und unbehelligt zu Fuss, zusammen mit ihren «Gspänli» zur Schule gehen, ernte ich nicht selten ungläubiges Staunen.

In die Gemeinde Uitikon zu ziehen war für unsere ganze Familie ein glücklicher Entscheid, ich wünsche mir eigentlich nur, dass der Gemeinde dieses Verständnis als Dorfgemeinschaft noch möglichst lange erhalten bleibt.